20 Jahre auf dem Mountainbike

Kinder, wie die Zeit vergeht! Ich höre noch immer die Stimme dieser einen Freundin durch den Hörer des Festnetztelefons meiner Eltern sagen: „Jürgen, du brauchst ein Hobby!“ Dies geschah in meiner Sturm- und Drangzeit. Der Lebensabschnitt der kurzen Nächte und wilden Party’s eines jeden durchschnittlichen jungen Mitteleuropäers. Montag bis Freitag arbeiten, Freitag Abend bis Sonntag Nacht Spaß und Halligalli, Alkohol und Tabak! Der Rest des Sonntags wurde dann regelmäßig für „Wellness und Spa“ geopfert, um die Spuren der verangenen Nächte wieder aus dem Gesicht zu bekommen. Irgendwie wurde mir dies aber doch bald zu monoton.

Im Sternzeichen des Zwillings geboren, bin ich nämlich eigentlich so ganz und gar nicht der typische, gesellige ständig nach Unterhaltung suchende „Twin“, aber was den Drang nach Bewegung und Abwechslung angeht trifft dies voll ins Schwarze. Mit 21 Jungs auf kurz getrimmtem Rasen violett oder grün gekleidet ewig einem Ball nachzujagen war auch noch nie so richtig mein Ding. Die einzige Fußballdress (welche mir der Osterhase im kindlichen Alter spendiert hatte) wurde deshalb mit alten Schibrillen- und -handschuhen kombiniert, um damit in vollem Karacho auf meinem blau-weißen Kinderfahrrad, welches ich von meinen Schwestern vermacht bekommen habe, durch die großen, gatschigen Wasserlachen zu fräsen. Dabei half der von meinem Papa am Hinterrad aufgezogene, quietschgelbe Stollenreifen kombiniert mit der Rücktrittbremse natürlich ungemein und hatte fast schon sowas wie Style!

Mountainbiken entwuchs zu dieser Zeit der großen Veränderungen gerade den Kinderschuhen und somit wurde klar: Jürgen muss sich so ein tolles Geländebergrad mit ganz vielen Gängen kaufen! Letztendlich hatte ich beim Autohändler ums Eck die Wahl zwischen einem Mountainbike mit grün lackiertem Chrom-Molybdän-Stahlrahmen oder einem gelb gefärbten aus Aluminium. Beide hatten 21 Gänge, eine Federgabel und hochmoderne Cantilever Felgenbremsen verbaut. Gelb hatte ich ja bereits am Stollenreifen meines Kinderrades und der Preis in Höhe von ATS 12.990,- war für beide gleich, also entschied ich mich für das Grüne.


Komplett bestückt mit der wunderschönen, chrompolierten Shimano STX-RC Komponentengruppe, war mein nagelneues Nakita 2670s damals schon ein schönes Velo. Ein paar Mountainbikemagazine später wurde schnell klar: Rückstrahler und Seitenständer sind überflüssig. Lenkerhörnchen mussten verbaut werden, genauso wie zwei Flaschenhalter und superlustige Riemenkörbchen an den Pedalen. Für die optimale Kraftübertragung bergauf und blutige Knie beim Absteigen, weil sich die Turnschuhe wieder mal an diesen nervigen Teilen verhängt und ich nicht rechtzeitig einen Fuß zu Boden stellen konnte.

Über einige Jahre verteilt wurden griffigere und leichtere Schwalbe-Reifen montiert, die 1-3 Zentimeter bietende Elastomer-Federgabel (hat die überhaupt gefedert?) gegen eine Manitou-Federgabel mit Ölkartuschendämpfung und heißen 56 mm Federweg getauscht (endlich eine Federgabel mit echten 3 cm Federweg!), der viel zu komfortable Nakita-Sattel gegen einen federleichten, bockharten Selle Italia Mountainbikerennsattel getauscht, rutschende NoName Lenkergriffe gegen klebrige Salsa-Griffgummis ersetzt und Satteltasche und Rahmendreieckstasche dran gehängt. Schließlich musste ich ja irgendwie das durch die neuen, teuren, leichten Teile eingesparte Gewicht wieder kompensieren!!!

Welch ein Pech! An der neuen Federgabel konnten keine Cantileverbremsen mehr betrieben werden. Also griff ich nochmal in die Geldbörse und investierte auch noch in bissige, aber immer wieder schrecklich laut quietschende V-Brakes. Man geht ja mit der Zeit! Übrigens war es damals sehr schick, den so genannten Bunny-Hop zu beherrschen, um kleine, am Weg liegende Hindernisse am Bike sitzend einfach überspringen zu können. An der Gehsteigkante vorm Haus brav geübt, durfte ich auch noch meine bald komplett verbeulte Hinterradfelge gegen eine neue tauschen.

Letztendlich wurde dem Jürgen mit dem standardmäßigen Im-Stand-Umfallen dank Pedalriemenkörbchen bald fad. Also kaufte er auch noch Clickpedale mit dazupassenden Bikeschuhen. Damit es hitzeventialationstechnisch und auch stylemäßig zu keinen Peinlichkeiten kommen konnte, war auch noch schnell atmungsaktive Mountainbikebekleidung angeschafft worden, welche man in der etwas kühleren Jahreszeit, so wie auch heuteleider wieder gern getragen, bereits in den 90er Jahren mit einer abscheulichen Jogginghose kombinieren konnte!

Hyperventilierten Halbschalenhelm von Uvex auf die Birne gesetzt, fingerlose Fahrradhandschuhe auf die Griffel gespannt, eventuell noch einen tollen Tourenrucksack auf den krummen Mountainbikerrücken gehängt und schon konnte man den ein oder anderen Jäger oder Wanderer auf den umliegenden Hügeln zu Tode ärgern.

Denn trotz allen Fortschritt’s in der bald dreißig jährigen Mountainbikegeschichte hat sich eines noch immer nicht geändert. Mountainbiken abseites von asphaltierten Straßen ist in Österreich laut Gestzt noch immer höchst illegal und kann Dank Besitzstörungsklagen so teuer kommen, wie ein durchschnittliches Mittelklasseauto. Da schmerzen die paar hundert oder tausend Euro pro Jahr für immer wieder neues Equipment dann gar nicht mehr so wild 😉