Alpen X 2012 Episode 4

Die Nacht in Zernez hat sich bei mir in die Großhirnrinde eingebrannt, sprich bleibt mir ein Leben lang unvergesslich. Denn nach einem gemütlichen Schleckeis in der Gaststube, weil draußen abendlicher Gewitterguss, flipflopt man, ehrlicherweise eh ein bissi geschlaucht vom Radabenteuer, aufs Zimmer und gibt sich der wohlverdienten Nachtruhe hin. Aber die Schweizer Bahn hat anderes mit uns vor.So gegen 22 Uhr sitzen Jürgen und ich plötzlich aufrecht im Bett, geweckt von einem Höllenlärm. Ein Hämmern, Schlagen und Krachen dringt von draußen herein, wir glauben, das Haus sei dem Einstürzen nahe. Man springt auf, rennt zum Fenster und erkennt, es ist weder ein Erdbeben noch eine Raumschifflandung, das/die uns den Schlaf raubt, sondern die Verdichtungsmaschine der Schweizer Bahn, die nichts Besseres zu tun hat, als um diese Uhrzeit ihre Gleise auf Vordermann zu bringen. Und das nicht mal kurz, so für ein viertel Stündchen, nein! Bis zwei Uhr morgens hält der Wahnsinn an. Noch dazu kommt, dass wir eine ziemlich höhenmeterintensive Etappe vor uns haben. Pff.


Naja. Die Nacht geht auch vorüber und zwei weitere graue Haare mehr bzw. mit fingerdicken schwarzen  Ringen unter den Augen, schwingt man sich so gut es geht aufs velo und radelt Richtung Susauna. Auf der Landkarte sieht es aus, als sei dies ein richtiger Ort, doch in Wirklichkeit entpuppt sich der relativ große rote Punkt als beschauliches, ruhiges, kleines Dörfchen, genau wie wir es mögen.

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Und jetzt beginnt einer meiner liebsten Abschnitte auf dieser Tour, der die schlafgestörte Nacht wieder vollends wett macht.
Von Susauna weg, fahren wir einige Zeit einem Fluss entlang, bezaubernd schön. Tosendes Wasser, üppige grüne Flora, ein Traum. Gegen Mittag erreichen wir nach etlichen Serpentinen auf der Schotterstraße die Alp Funtauna. Eine der schönsten Gegenden, die ich je gesehen habe. Nun schon wirklich hohe Berge, alte, knorrige Bäume, Ruhe – keine Menschenseele unterwegs, gewaltige Eindrücke, die hier auf mich niederprasseln.
Da der Halter gerade auf Kuhschau ist, stillen wir unseren bereits kräftig knurrenden Magen mit unseren Superriegeln vom Rad Fuchs (die waren wirklich super in essenstechnischen Engpässen) gemeinsam mit den pfeifenden Murmeltieren, dem rauschenden Bächlein,…. Allein die Erinnerung lässt mich wieder Kraft für den Alltag schöpfen.

Von der Alp geht es weiter auf einem anfangs voll feinen Trail, doch die letzten Höhenmeter zur Keshhütte (2625müM) , unserem höchsten Punkt auf dieser Tour, müssen wir schieben.

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Oben angekommen eröffnet sich uns ein Rundumblick in die 3000er Bergwelt der Region, wahrlich ein Platz zum Verweilen. Und das mit dem Rad hier herauf geschafft. Ich war noch nie in solch hohen Gefilden mit dem Radel unterm Hintern unterwegs – man ist glatt stolz auf sich. Auch das Abendessen ist ein Genuss, genauso wie die Unterhaltungen mit den Hüttengästen, besonders ein Bergführer versteht es uns mit seinen Geschichten zu fesseln.
Es ist einfach traumhaft hier.

Und eines weiß ich gewiss, irgendwann komme ich nochmals hierher zurück. Denn nicht nur diese Etappe hat mich sehr beeindruckt, sondern auch die kommenden Tage haben es an landschaftlicher Schönheit, beeindruckenden Momenten am Rad und zwischenmenschlichen Begegnungen in sich.

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